Carl-Huter-Stiftung

Welt- und Menschenkenntnis nach Carl Huter

10D. Kallisophische Lehre

Bei allen Zitaten gilt: Fettdruck und Gliederung durch die Carl-Huter-Stiftung.

1. Einleitung

Unter "Kallisophie" ist die von Carl Huter begründete Religion zu verstehen. 

Aus Carl Huters Schriften lässt sich entnehmen:

  • Die kallisophische Lehre ist eine wissenschaftliche Religion, da sie ein naturwissenschaftliches Fundament besitzt. 
  • Das naturwissenschaftliche Fundament der kallisophischen Lehre besteht aus
    a. den Huterschen Erkenntnissen über unsere Welt, siehe Kapitel 5;
    b. den Huterschen Erkenntnissen über das Leben, siehe Kapitel 6;
    c. den Huterschen Erkenntnissen über die Lebens-Schöpfung und die Lebens-Entwicklung, siehe Kapitel 8.
    Carl Huter ist überzeugt, dass die Wissenschaft später einmal seine Erkenntnisse bestätigen wird und sie den Status einer Wissenschaft erlangen werden.
  • Die kallisophische Lehre vermag, da sie eine naturwissenschaftliche Grundlage besitzt, das religiöse Streben und Sehnen des heutigen und insbesondere des zukünftigen Menschen am besten zu erfüllen und zu befriedigen. 
  • Die Kallisophie wird in Europa und in vielen anderen Ländern der Welt zur Religionsgemeinschaft mit der grössten Anhängerschaft werden.

Huter hat eine kallisophische Bewegung ins Leben gerufen:

  • Er begründete in Detmold eine kleine kallisophische Gruppe, 1899, und ebenso in Hamburg, 1902. Deren Aktivitäten sind leider bald wieder erloschen, im Zeitraum 1903 bis 1906.


2. Elemente von zentraler Bedeutung für die neue Religion

2.1 Das innere Heiligkeitsgefühl - die Grundlage der wissenschaftlichen Weltreligion
Carl Huter: Zusammenfassung meiner Lehre - Meine zwölf wichtigsten Entdeckungen. Posthum veröffentlicht in Amandus Kupfer: Physiognomik und Mimik, 1. Auflage, 1926-1928, und als Sonderdruck. Die späteren Auflagen von "Physiognomik und Mimik" enthalten diesen Artikel nicht. Er wurde seither nicht neu gedruckt. Siehe auch 8B. Höchste Triebkraft; Zitate , Ziffer 5:

  • Die Grundlagen der wissenschaftlichen Religion oder der zukünftigen Weltreligion fand ich in meiner zwölften Entdeckung, ...
  • ... dass nämlich der Mensch sich aus dem tierischen Zustande zu dem höheren menschlichen entwickelt hat durch das innere Heiligkeitsgefühl, ...
  • ... das zunächst an etwas Besseres in sich, an seine göttliche Natur im eignen Ich zu glauben anfing und auch bald überzeugt wurde, dass etwas Höheres, als das gegenwärtig Seiende ist, existiert!


2.2 Mensch und Natur streben nach Höherem, Besseren - und das Heiligkeitsgefühl als Ursache
Carl Huter: Meine Schöpfungsentwicklungslehre als Grundlage der neuen Welt- und Lebensreligion, der Kallisophie. Das Heiligkeitsgefühl und das Ideale, erschienen in der Broschüre: Irma Fleischhacker: Carl Huter und seine Wissenschaft, 1910.
Siehe auch aus 8B. Höchste Triebkraft; Zitate , Ziffer 2.

  • Über sich hinaus Höheres zu schaffen, ...
  • ... ist das Wesen aller Schöpfung und Entwickelung, ...
  • ... ist das Wesen jeder wahren Liebe, Arbeit und Kultur.
  • Es ist auch das Wesen jeder wahren Wissenschaft, Moral und Religion! 
  • Dieses entspringt aus dem Heiligkeitsgefühl des inneren Lebens für das Ideale!
  • Die wirkliche Ursache für die Entwicklung des Menschen bis zu seiner jetzigen Höhe ist das Heiligkeitsgefühl der idealen Liebe, ...
  • ... über sich und die reale Welt hinaus Höheres zu empfinden, zu glauben und zu denken und mit allem Ernst auch zu schaffen und zu verwirklichen.


2.3 Höherentwicklung durch Idealliebe und das Streben nach Besserem und Vollkommeneren
Carl Huter: Grundlegende Entdeckungen für die wissenschaftliche Psycho-Physiognomik, 1910. Vorwort.
8B. Höchste Triebkraft; Zitate , Ziffer 6

  • Ich aber sage: ldealliebe, ldealkraft, ldealkultus, ...
  • ... kurz, religiöses, von Dogmen freies, heiliges Innenleben im Streben nach Besserem und Vollkommenerem ist die letzte Ursache aller Höherentwicklung.


2.4 Die Hutersche Schöpfungsentwicklungslehre als Grundlage der Kallisophie
Carl Huter: Leitfaden zu meinem System der Psycho-Physiognomik, 1909

Zitat Anfang:

  • Auch der Gothaer Geologe Carl von Hoff hat in seinem Werke "Die natürlichen Grundlagen der Erdgeschichte" 1822 der Entwicklungslehre die Bahn geebnet.
  • Den materialistischen Ausbau hat Häckel besorgt, den idealistischen und ethischen habe ich in meinem Werke "Menschenkenntnis" 1904-1906 vollzogen.
  • Diese Schöpfungsentwicklungslehre wird den Sieg davontragen.
  • Sie wird die Grundlage der Weltreligion der Zukunft werden. (1)

Zitat Ende.

(1) Auch die weiteren Lehren Huters über das Werden und Entwickeln gehören zu den Grundlagen der kallisophischen Lehre, wie in Ziffer 1, oben, dargelegt.


2.5 Schluss 

Aus dem Obigen und aus den Schriften von Carl Huter lassen sich entnehmen:

  • Die kallisophische Lehre lehrt, dass der Mensch
    a. nach dem Vollkommeneren, nach dem Reinen, dem Höheren, dem Erhabenen streben soll;
    b. das Heiligkeitsgefühl pflegen soll,
    denn auf diese Weise stärkt er seine Lebensenergie. Diese wirkt organisierend und schöpferisch mit dem Ergebnis, dass eine Entwicklung in aufsteigender Weise eintritt und sich der Mensch im Leben besser zu behaupten vermag.
  • Die kallisophische Religion ist die Religion der Liebe und Schönheit. - Siehe Carl Huter: Grundthesen der Kallisophie, Ziffer 3, unten, Fussnote 3, und die Textstelle, die zu dieser Fussnote gehört.
  • Die kallisophische Lehre lehrt, dass Liebe und Schönheit in einem engen Zusammenhang stehen. Primär ist die Pflege der Liebe und dies erzeugt Schönheit, körperlich, seelisch und geistig.
  • Kallisophie, die Religion der ethischen Schönheit. Eine Weltreligion der Kunst, Kultur und Wissenschaft und eines neuen Glaubens. - Titel eines Vortrags von Carl Huter, Leipzig, Februar 1910.

Anmerkung: Vielleicht entstehen in wenigen Jahren oder in wenigen Jahrzehnten, mitten im 21. Jahrhundert, Bestrebungen, die christlichen und anderen Religionen in entsprechender Weise zu reformieren sodass daraus die kallisophische Religion hervorgeht?


3. Grundlegende Thesen

Grundthesen der Kallisophie - geschrieben am 20. November 1910

Es ist einer der letzten Texte Huters über Kallisophie und Weltanschauung. 

  • Die kallisophische Lehre ist untrennbar mit dem obgenannten "Werden und Entwickeln" in unserer Welt verbunden, also mit der Huterschen Entwicklungslehre über die anorganische und die organische Welt. Die Kallisophie beruht auf diesen neuen Erkenntnissen.
  • Daher enthält dieser Artikel nicht nur Aussagen, die sich direkt auf die Kallisophie beziehen, sondern auch einige wenige Aussagen über die Hutersche Schöpfungs-Entwicklungslehre.


In Ziffer 16 wird in der Fussnote 3 folgendes mitgeteilt:

  •   Vermutlich gibt es keine andere religiöse Lehre, die lehrt, dass Gott resp. die Gottheiten nicht von Anfang an da waren, sondern durch Entwicklungsprozesse entstanden sind. Huter schuf eine einheitliche Entwicklungslehre über die diesseitige und die jenseitige Welt, die keine Sprungstellen aufweist. 
  • Die diesseitige, anorganische, die diesseitige organische Welt und die jenseitige Welt haben sich aus dem Weltäther entwickelt durch Differenzierung und nach denselben Prinzipien.



4. Übersicht über das Schriftgut mit kallisophischer und weltanschaulicher Orientierung 


4.1 Schriftenverzeichnis

Das kallisophisch-weltanschauliche Schriftgut besteht aus

  • rund 20 kallisophisch-weltanschaulichen Artikeln*), deren Umfang meist zwischen 1 bis 4 Buchseiten liegt. Sie enthalten Huters Erkenntnisse und Weltanschauung in Form von kurzen Lehrsätzen. 

*) Eine genaue Angabe ist nach Abschluss der Katalogisierung der Huterschen Schriften möglich, ca. Mitte 2024.

  • einzelnen Abschnitten und einzelnen Kapiteln in Huters Broschüren. Die wichtigsten dieser Texte sind ersichtlich in Ziffer 2, oben, und in den Unterrubriken 10D1 bis 10D4. Einige wenige dieser Texte sind unter dem Namen seiner Mitarbeiterin Irma Fleischhacker (1891 - 1980) erschienen. Sie wurde Ende Juli 1909, 18 1/2-jährig, Huters Mitarbeiterin.
  • den Broschüren der Schriftenreihe "Der neue Mensch und die neue Welt", siehe Rubrik  10D4. Begriffe, Schriftenreihe , Ziffer 2.

Es besteht keine Schrift, die man als die zentralste, als die massgeblichste Schrift bezeichnen könnte. Einzig der kurze Artikel, der in Ziffer 3, oben, ersichtlich ist, kann eine besondere Stellung beanspruchen. 

  • Es besteht kein eigentliches Lehrbuch über die Kallisophie.
  • Einige wenige Texte sind erst nach Huters Tod erstmals veröffentlicht worden.
  • Sekundärliteratur über die Hutersche Kallisophie und die Hutersche Weltanschauung: siehe auch Ziffer 5.3, unten.


4.2 Lehrbuch

Das Fehlen eines Lehrbuches wird durch die Entstehungsgeschichte und das Leben von Carl Huter verständlich:

  • Huter schrieb die ersten Gedanken über die kallisophische Lehre im Jahre 1892 nieder, die letzten Gedanken 1912.
  • Die kallisophische Lehre als auch die Hutersche Psycho-Physiognomik war damals, 1892, erst in ihren Grundzügen vorhanden. Huter hat beide Lehren Jahr für Jahr diese Lehren ausgebaut. 
  • Aber das konnte Huter nur schrittweise tun, denn in erster Linie musste er für den Lebensunterhalt sorgen, für seine Familie und für sich. - Huters Erwerbstätigkeit bestand aus Vortragsreisen, Herausgabe einer Bundeszeitschrift, Leitung des Carl-Huter-Bundes, Betrieb eines Kursbades, etc.
  • Die meisten Texte, die für die Kallisophie grundlegend sind, entstanden erst in den Jahren 1907 bis 1910. Die ausgereifte, kurze und prägnante Darstellung der Huterschen Schöpfungs-Entwicklungslehre schrieb Huter erst im September 1910.
  • Erst Ende 1910, nachdem die Hutersche Schöpfungs-Entwicklungslehre in einer ausgereiften Fassung vorlag, und Huter die Grundthesen der Kallisophie dargelegt hatte, November 1910, wäre es möglich gewesen, die kallisophische Lehre in einem Lehrbuch und in ausgereifter Fassung darzulegen. 
  • Huter hat dies vermutlich beabsichtigt, denn er kündigte im Februar 1910 ein Werk für 1911 an mit dem Titel "Das Weltreich der Liebe und die Religion der ethischen Schönheit". Es ist leider nicht erschienen.

Fazit: 

Der Hutersche Entwicklungsgang führte dazu, dass nicht ein einzelnes Werk sondern zahlreiche Texte entstanden sind, in denen Huter das Thema immer wieder neu behandelt.

Das allzu kurze, herausfordernde Leben Huters führte dazu, dass er keine Gelegenheit hatte, diese Texte zu einem Ganzen oder zu einem Lehrbuch zusammenzufassen.


4.3 Weltanschauung und Kallisophie

Die Hutersche Weltanschauung und die kallisophische Lehre sind untrennbar miteinander verbunden. Letztere wächst aus der ersteren hervor. 

Die Hutersche Weltanschauung ist vorallem eine Entwicklungsgeschichte - eine Darlegung des Werdens und Entwickelns von Welt und Mensch.

Texte, in denen die Grundlagen der Kallisophie darlegt werden,

  • enthalten daher Darlegungen über das Werden und Entwickeln unserer Welt, siehe oben, Ziffer 3.
  • erfordern gründliche Kenntnisse der Huterschen Lehren, also der Inhalte von Kapitel 5, 6 und 8. 



5. Schlussbemerkungen

5.1 Vorstellungen über die diesseitige und die jenseitige Welt

Viele Religionen besitzen Vorstellungen über die Entstehung der diesseitigen und jenseitigen Welt. Das Judentum, das Christentum und der Islam erklären die Entstehung unserer diesseitigen Welt mittels der biblischen Schöpfungsgeschichte: Erschaffung der Welt in sieben Tagen; Paradies; Adam und Eva, etc.

Die kallisophische Religion unterscheidet sich von den anderen Religionen dadurch, dass sie 

  • das Fundament und die kallisophische Religion organisch miteinander verbunden sind. Das Empfindungs-Element ist das verbindende Element. 
  • das Fundament aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen besteht, nicht aus Legenden und Mythen, oder dann aus Anschauungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit als richtig zu betrachten sind.


5.2 Kallisophie - Stärkung der Empfindungsenergie des einzelnen Menschen

  • Das Streben nach Höherem, Besserem, Vollkommeneren, das letztlich dem Heiligkeitsgefühl entspricht, ist eine Grundeigenschaft des normalen, gesunden Menschen.
  • Durch dieses Streben wird die individuelle Empfindungsenergie gestärkt und im Falle der Fortpflanzung sind die Nachkommen mit stärkerer Empfindungsenergie ausgestattet.
  • Durch stärkere Ausstattung mit Empfindungsenergie besteht eine höhere Lebens- und Widerstandskraft. Dank diesen organisierenden und schöpferischen Kräften vermag sich die einzelne Zelle resp. der Organismus besser den Verhältnissen anzupassen, insbesondere auch im Sinne einer Vervollkommnung und Höherentwicklung.


5.3 Sekundärliteratur

Über die Hutersche Weltanschauung und Kallisophie gibt es lediglich die folgende Sekundärliteratur:

  • Die Kallisophie und der Huterische Weltbund, in: Theosophie 8 (1917-1918), S. 94-104. 
  • Heinz Mürmel: Carl Huter und die Schaffung einer neuen Weltreligion. Bemerkungen zu einer vergessenen Seite religiöser Devianz im Leipzig des späten Kaiserreiches, in: Stadtgeschichte. Mitteilungen des Leipziger Geschichtsvereins e. V., Jahrbuch 2009, S. 89-115.
  • Die Darstellung in diesem Kapitel 10. Die Texte sind etappenweise entstanden, zwischen 2019 und 2023. 


Anmerkung

1. Der Artikel "Die Kallisophie und der Huterische Bund" erschien ohne Nennung des Verfassers. Heinz Mürmel, siehe Ziffer 3, unten, vermutet, dass es sich um Johannes Balzli (1864-1939). handelt. Sein bürgerlicher Name ist Karl Pracht. Meist bezeichnete er sich als Karl Brandler-Pracht, z.B. auf der Titelseite des "Zentralblatt für Okkultismus", das er im Jahre 1907 begründet hatte, und dessen Schriftleiter er war, bis im Sommer 1909.

2. Der Artikel von Johannes Balzli hat den Charakter einer Erinnerung an Carl Huter, an seine Anhängerschaft und an die Zeit, als Huter in Leipzig wirkte. Darin eingeschlossen sind Erläuterungen von Entdeckungen und Erkenntnissen Huters und ein Blick auf die Kallisophie. Es ist nicht ersichtlich, ob er Huter persönlich gekannt hat. Vermutlich beruht sein Artikel einzig auf Informationen von Dritten und auf dem Studium einzelner Huter-Schriften.

3. Heinz Mürmel (1944 - 2019), Religionswissenschaftler in Leipzig, verzichtet bewusst darauf, die kallisophische Lehre umfassend zu würdigen. Die Schaffung einer Weltreligion, die Entstehungsgeschichte, steht bei ihm im Vordergrund. Diese stellt er sehr detailliert anhand von zahlreichen Zitaten aus den Huterschen Schriften dar. Die charakteristischen Merkmale der kallisophischen Lehre sind zwar ersichtlich, oft lediglich als Teil einer Fussnote.

4. Mürmel kommt zum Ergebnis, dass die weltanschaulich-kallisophischen Lehren Huters nach dessen Tod in Vergessenheit geraten und unberücksichtigt geblieben sind.

5. Diese Aussage ist wie folgt zu ergänzen: Die Huterschen Schriften über Weltanschauung und Kallisophie wurden zwar gelegentlich nachgedruckt und neu herausgegeben und die meisten Manuskripte, die Huter hinterlassen hatte, wurden posthum gedruckt und veröffentlicht. Die Veröffentlichung beschränkte sich aber stets auf den originalen Text von Huter. 

6. In diesem Kapitel 10 erfolgt erstmals eine Auseinandersetzung mit der kallisophischen Lehre, u.a. durch
a. eine Zusammenstellung der wichtigsten Textteile;
b. eine Kommentierung und eine Erläuterung. 



History

Diese Seite wurde am 19. November 2019 erstellt. Sie wird regelmässig geprüft und überarbeitet, letztmals am 20. November 2019, vom 22. bis 24. Juli 2022, am 7. August 2022, am 29. August 2022, am 10. September 2022, am 15. September 2022 sowie vom 6. November bis 8. Dezember 2023.

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